Munich American Peace Committee (MAPC)
Niederschrift von Reden bayerischer Politiker bei der
Kundgebung "Gegen Antisemitismus und Terror" am 12.7.02 in München am
Odeonsplatz
Jerzy Montag, Landesvorsitzender von 'Bündnis 90 Die Grünen'
in Bayern
Egal welche Hautfarbe und Nationalität, liebe Christen und Juden,
liebe Muslime und Gläubige anderer Religionen, aber auch liebe Nichtgläubige,
die nicht an Gott, aber an die Menschen glauben: Wir schauen in den Nahen
Osten, wir schauen nach Palästina und nach Israel, und wir ertragen
nicht länger die dort herrschende Intoleranz, die sich immer noch steigernde
Gewalt und die sich ausbreitende Angst und Hoffnungslosigkeit auf beiden
Seiten. Der Terror fanatisierter muslimischer Fundamentalisten reißt
täglich unschuldige Menschen, Israelis, Erwachsene und Kinder in den
Tod. Dies ist durch nichts zu rechtfertigen, weder durch einen angeblichen
Gottesbefehl noch als eine Antwort auf ein Vorgehen der israelischen Armee
oder gar als ein sogenannter Befreiungskampf. Die Palästinenser selbst
müssen diesen Mördern in die Arme fallen, und wir unterstützen
die leider bisher nur wenigen, die dies heute schon tun.
Aber es gibt auch schreckliche Gewalt gegen das palästinensische Volk.
Die nicht minder fanatisierten jüdischen Siedler, illegale Landbesetzer,
die israelische Armee und der Geheimdienst, die völkerrechtswidrige
Kollektivstrafen und Exekutionen ohne gerichtliche Verfahren praktizieren.
Diese... (Unterbrechung durch Buhrufe). Meine Damen und Herren, diese Aktionen
töten auch und auch diese Gewalt muß endlich aufhören. Wir
unterstützen deshalb die israelische Friedensbewegung und alle Menschen
in Israel, die sich der Menschlichkeit, der Solidarität und dem Frieden
ohne Ansehung des Glaubens oder der Volkszugehörigkeit verschrieben
haben. Denn nach all dem Blutvergießen auf beiden Seiten wissen oder
ahnen es alle: Es gibt nur einen gemeinsamen Frieden, es gibt nur eine gemeinsame
Sicherheit in zwei selbständigen international gesicherten Staaten,
die in lebenswichtigen Fragen beider Völker werden in Zukunft zusammenarbeiten
müssen.
Liebe Münchnerinnen und Münchner, wir müssen aber auch im
eigenen Haus und vor der eigenen Türe kehren. In Deutschland breiten
sich wieder Rassismus und Antisemitismus aus. In Bayern sind rechtsradikale
Straftaten um einhundert Prozent gestiegen. Der Antisemitismus hat sich
aus der Besenkammer der ewig gestrigen Judenhasser befreit und betritt mit
Politikern wie Möllemann den Salon des demokratischen Deutschlands.
Antisemitisches Denken steckt aber leider in allen Parteien, in allen großen
und kleinen Organisationen; und wie könnte es auch anders sein, wenn
fast jeder vierte in Deutschland erklärt, die Juden seien selber schuld
an dem Leid, das ihnen widerfährt. Deshalb ist es gut und notwendig,
daß alle Menschen guten Willens in Deutschland, egal wo sie sonst
politisch und gesellschaftlich stehen, dem Ungeist des Antisemitismus gemeinsam
und entschlossen die Stirn bieten, so unterschiedlich wir Menschen alle
sind, wir sind doch auch alle gleich und alle mit den gleichen Rechten.
Und deswegen werden wir es nicht zulassen, daß Juden in Deutschland
wieder Angst um Leib und Leben haben müssen. Das ist und bleibt in
Deutschland der Konsens, ohne den es keine humane und keine rechtsstaatliche
Gesellschaft geben wird. Und deswegen stehen wir fest an der Seite der israelitischen
Kultusgemeinden von München und in ganz Bayern.
Sabine Leutheuser-Schnarrenberger, Vorsitzende der FDP in Bayern
Es ist nicht sehr viel, was wir gemeinsam, was Deutschland und seine Politik
gegen den alltäglichen Terror und gegen die nie endende Furcht und
das Leiden der Menschen im Nahen Osten tun können. Uns bleibt nicht
viel mehr zu tun, als immer wieder an die Verantwortlichen beider Seiten
zu appellieren, den apokalyptischen Kreislauf von Haß, von Gewalt
und Gegengewalt zu durchbrechen und endlich wieder zur Vernunft und zu der
Einsicht zu kommen, daß Krieg und Terror ungeeignete Mittel sind,
zu dem unabdingbaren Kompromiß zu kommen, der den Menschen auf beiden
Seiten ein Leben in Frieden ermöglicht. Und wenn wir dabei helfen können,
dann sollten, dann müssen und dann werden wir das tun.
Und es ist deshalb gut und richtig, daß sich die deutsche Politik
im Einvernehmen mit unseren Partnern in Europa für eine Konferenz für
Sicherheit und Freiheit und Zusammenarbeit im Nahen Osten einsetzt. Um die
Chance wieder zu bekommen, daß Israel in sicheren Grenzen, die Menschen
frei von Angst vor Terror und Anschlägen leben können und genauso
die Palästinenser in einem Staat, der demokratische Strukturen haben
muß, sicher leben können und damit Frieden in diese Region einziehen
kann. Dies ist ein Instrument, daß einst uns Europäern sehr geholfen
hat, das zwischen Ost und West über Jahrzehnte aufgetürmte Eis
der Konfrontation, der Sprachlosigkeit und des unüberwindlich scheinenden
Mißtrauens allmählich zum schmelzen zu bringen. Und, liebe Bürgerinnen
und Bürger in München, wir müssen uns solidarisieren mit
den leidgeprüften Menschen im Nahen Osten. Gerade mit den vielen jungen
und älteren Menschen auf beiden Seiten, in deren Herzen noch Friedenssehnsucht
und der Wille zur Versöhnung vorhanden ist, die nicht den Predigern
von Haß und Terror, politischen Extremisten und den Predigern von Fanatismus
auf den Leim gegangen sind.
Und deshalb gilt unsere Solidarität allen religiös und kulturell
gebundenen Menschen, die guten Willens sind, zu einem friedlichen Miteinander
beizutragen. Wir werden es bei uns nicht dulden, daß religiös
verbrämter Haß, politisch religiöser Extremismus, daß
antisemitische Gefühle instrumentalisiert und populistisch ausgeschlachtet
werden, um keinen Preis, meine Damen und Herren, auch nicht um den Preis
von Wählerstimmen. Keine Moralkeule, kein .......(?, unverständlich)
zwingen uns zu dieser Solidarität, sondern einzig und allein die an
unserer dramatisch besonderen Geschichte gereifte moralische Intelligenz,
unsere Fähigkeit und Bereitschaft mitzufühlen und ihnen gegenüber
darzubringen und damit gemeinsam dazu beizutragen, daß Art. 1 unseres
Grundgesetzes, wonach die Menschenwürde eines jeden Menschen unantastbar
ist, immer wieder täglich mit Leben zu erfüllen.
Günther Beckstein, bayerischer Innenminister
Es ist mir ein Herzensanliegen, öffentlich gegen Terror und Antisemitismus
zu protestieren und für Frieden im Nahen Osten einzutreten. Ich bedanke
mich im Namen der gesamten bayerischen Staatsregierung, insbesondere auch
im Namen von Kollegin Monika Hohlmeier, die hier bei dieser Kundgebung mit
dabei ist. Ich bedanke mich bei der israelischen Kultusgemeinde und den
Organisatoren für die Durchführung dieser mächtigen Kundgebung,
und ich bedanke mich bei Ihnen, daß Sie hierher gekommen sind und
durch ganz Bayern, durch ganz Deutschland rufen: Wir sind gegen Terror,
wir sind gegen Antisemitismus, wir treten für den Frieden ein.
Der 11. September zeigt, von Washington und New York, aber auch der Nahe
Osten zeigt: Der Terrorismus ist ein weltweites Problem geworden. Wir müssen
unsere Wertmaßstäbe, die die zivilisierte Welt ausmachen, mit
größter Entschlossenheit gegen Barbarei und Fanatismus verteidigen.
Israel braucht sichere Grenzen, Israelis brauchen Sicherheit. Es ist tief
bewegend, wenn Frau Knobloch die Schicksale der Menschen, der jungen und
alten darstellt. Wenn man Angst hat, das ist ein Verstoß gegen die
elementare Menschlichkeit. Da muß jeder protestieren. Auch Palästinenser
guten Willens brauchen Sicherheit. Wir müssen aber deutlich rufen: Nur
dann können Palästinenser unterstützt werden, wenn sie sich
glasklar vom Terrorismus verabschieden. Wir wollen Frieden im Nahen Osten,
wir sagen aber auch den Führern von den Palästinensern: Es darf
nicht sein, daß sie augenzwinkernd Terroristen akzeptieren. Diese Verlogenheit
darf nicht weitergehen.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, für mich sind Selbstmordattentate
nicht das Werk irgendwelcher gläubiger Menschen, nein, das sind gemeine
Verbrechen. Es gibt keine Rechtfertigung für Gewalt gegen unschuldige
Menschen. Als Innenminister in Bayern habe ich natürlich eine besondere
Verantwortung für die Sicherheit aller Menschen in diesem Land. Ich
versichere Ihnen, es ist mir ein großes Anliegen, eine tiefe Verantwortung,
dafür zu sorgen, daß jeder, daß jede in diesem Land sicher
ist unabhängig davon, ob es sich um Christen, um Muslime, um Juden handelt;
jeder muß sicher in diesem Land leben können. Wir treten mit aller
Massivität gegen jede Form antisemitischer und rassistischer Gewalt
ein.
Meine Damen und Herren, ich sage auch hier in aller Öffentlichkeit,
wenn Neonazis meinen, sie könnten gegen Fremde, sie könnten gegen
Juden, sie könnten gegen Behinderte vorgehen, sind sie nicht Kämpfer
für ein besseres Deutschland, sondern gemeine Verbrecher, die hinter
Schloß und Riegel gehören.
Das war für mich auch die Motivation für das Verbot der NPD einzutreten,
weil ich überzeugt bin, daß die die Mentalität, die Stimmung
schaffen, daß Antisemitismus, daß Gewalt ausgesät werden
kann, und das muß mit jeder Konsequenz mit der Möglichkeit der
wehrhaften Demokratie auch bekämpft werden. Ich trete auch dafür
ein, daß wir gegen die Organisationen islamischen Terrors wie die
Hamas und die Hisbollah mit aller Möglichkeit des Rechtsstaats vorgehen.
Die dürfen bei uns keine Freiheit haben. Ich bitte alle Politiker aller
demokratischen Parteien auch dafür einzutreten, daß auch die Werbung
für ausländische terroristische Vereinigungen strafbar sein muß.
Das kann nicht sein, daß in unserem Land für Terrorismus in Deutschland
oder außerhalb Deutschlands geworben wird. Terrorismus muß weltweit
bekämpft werden. Friede, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist
aber mehr als die Abwesenheit von Gewalt. Friede heißt, daß wir
gut miteinander zusammenleben, und deswegen sage ich auch im Namen der Staatsregierung
an Sie liebe Juden in Bayern und liebe bayerische Juden: Lassen Sie sich
nicht verunsichern. Wir sind froh, daß es jüdische Gemeinden in
unserem Land gibt. Wir unterstützen sie, wir sorgen für ihre Sicherheit
mit Technik und Personal, wir kümmern uns darum, daß Sie in unserem
Land sich wohl fühlen und nicht Angst haben müssen. Wir freuen
uns darauf(?), daß Sie Ihr jüdisches Kulturerbe pflegen, und wir
weisen Jung und Alt darauf hin, daß ohne die Juden in Bayern wir viel
ärmer in unserer Kultur wären. Edmund Stoiber hat bei der letzten
Anwesenheit von Bubis in Bayern den denkwürdigen Satz gesagt: Juden
sind der fünfte Stamm in Bayern. Neben den Altbayern, den Franken und
den Schwaben und den Vertriebenen gehören sie als ein konstituierendes
Element zu unserem Land, und das wird auch in der Zukunft so bleiben. Jeder
soll das hören!
Meine Damen und Herren, wir wollen - jeder an seinem Platz.- für ein
friedliches Miteinander und eine gemeinsame Zukunft arbeiten, in Bayern,
in Deutschland, aber auch ganz besonders im Nahen Osten.
Christian Ude, Münchner Oberbürgermeister
Liebe Münchnerinnen und Münchner, ob sie nun jüdischen,
christlichen, muslimischen oder gar keines Glaubens sind, ich bin sehr dankbar
für diese Kundgebung, denn sie zeigt, daß die Juden in München
selbstbewußt auftreten können und dies tatsächlich auch
solidarisch tun, sich nicht abdrängen lassen in Hinterhöfe oder
Synagogen, sondern in dieser Stadt selbstbewußt als wichtige unverzichtbare
Gruppe auftreten, dieses bald auch auf dem Jakobsplatz mit dem Gemeindezentrum
tun werden. Und diese Kundgebung gibt uns, den Repräsentanten des öffentlichen
Lebens, Gelegenheit zu vielen Botschaften und Bekenntnissen, die in diesen
Wochen der Verwirrungen und auch intellektuellen Schlampereien einfach erforderlich
sind. Ich bin, meine Damen und Herren, tatsächlich nicht nur in merkwürdigen
Faxen und Emails, sondern auch in journalistischen Anfragen allen Ernstes
gefragt worden, wie ich an einer so einseitigen Veranstaltung sprechen könne.
Und das muß man schon der Reihe nach durchgehen. Ist diese Kundgebung
einseitig? Beim Thema Antisemitismus hoffe ich 'ja'. Und ich frage mich
wie man beim Thema Antisemitismus überhaupt nur darüber nachdenken
kann, ob es eine Ausgewogenheit, ein Einerseits - Andererseits geben soll.
Ja wo leben wir denn?
Die Münchner Bevölkerung in ihrer überwältigenden Mehrheit
ist sich sehr wohl bewußt, daß Antisemitismus nicht irgend eine
Verwirrung des Zeitgeistes wäre, die nach ein paar Talkshows vielleicht
wieder erledigt ist. Nein, gerade in dieser Stadt, die mit der historischen
Last des Titels 'Hauptstadt der Bewegung' leben muß, wissen wir ganz
genau: Antisemitismus ist eine Geisteskrankheit, die unser Land und diese
Stadt in den Abgrund des Verbrechens gestürzt hat; und da kann es nur
Klarheit geben. Wobei der Antisemitismus unserer Tage in einer neuen Spielart
auftritt. Das macht ihn aber nicht harmloser, sondern nach meiner Einschätzung
gefährlicher. Es ist nicht mehr die dümmliche Lehre, daß
arische Menschen höherwertig und Menschen jüdischer Abstammung
minderwertig seien. Das wäre so blöd, daß es keine Resonanz
findet. Nein, es wird heute raffinierter mit dem Feuer gespielt. Es wird
der Eindruck erweckt, Deutschland leide unter der Last von Denkverboten und
Tabus, leide darunter, etwa an jüdischen Persönlichkeiten oder
der israelischen Regierung keine Kritik üben zu können, und deswegen
sei ein wahrer Patriot ja fast schon Freiheitskämpfer, wer hier zu Felde
zieht mit plumpen Urteilen, mit vorschnellen Verurteilungen und sich dann
feiern läßt als einer, der endlich den Schneid hat, es zu sagen.
Und hiermit, meine Damen und Herren, wird doch tatsächlich angeknüpft
an antisemitische Klischees, die zum unverzichtbaren Vokabular der nationalsozialistischen
Propaganda gehört haben. Da kommt wieder etwas durch - vorsichtig verpackt
- vom Weltjudentum oder von den jüdisch beherrschten Medien, gegen die
man sich endlich frei machen müsse. Achten wir auf die Zwischentöne
und stellen wir alle zur Rede, die hier mit dem Feuer spielen. Das Thema
ist wahrlich ernst genug.
Und beim zweiten Thema, meine Damen und Herren, dem Bekenntnis zum Lebensrecht,
zum Existenzrecht des Staates Israel frage ich mich auch, wieso hier unsere
Aussage ausgewogen oder zweideutig sein soll, nein, wir gerade mit der historischen
Verantwortung in Deutschland wissen, daß der Staat Israel ein unbestrittenes
Lebensrecht hat, und daß man es ihm endlich zugestehen muß.
Und an keinen anderen Staat, der noch dazu demokratisch verfaßt ist,
werfen wir die Frage der Existenzberechtigung noch ein halbes Jahrhundert
später auf. Nirgendwo deuten wir herum, ob dieser Staat mit seinem
Staatsvolk auch in Ruhe gelassen werden muß. Wenn man dies einzig
und allein beim Staat Israel in Frage zieht, dann ist dies Ausdruck einer
antisemitischen Geisteshaltung, anders kann ich es nicht erklären.
Und ebenso hält es sich, verhält es sich beim nächsten Thema
der Kundgebung, nämlich dem Terror. Wir alle kennen ja die sehr vorsichtigen
und gut getarnten Versuche, hier doch ein wenig Verständnis herauszukitzeln,
etwa mit der Formulierung: Jugendliche in ihrer Perspektivlosigkeit sähen
keine andere Möglichkeit mehr, als das eigene Leben aufs Spiel zu setzen.
Als ob es gewissermaßen die Verzweiflungstat jugendlicher Täter
sei, die mit ihrem Leben nichts mehr anzufangen wissen und es deswegen dreingeben.
Meine Damen und Herren, die nüchterne Wahrheit ist doch, daß es
eiskalt kalkuliert wird, Menschen zu Mördern zu machen und sie mit einer
Art von Gehirnwäsche auch noch zu zwingen, das eigene Leben drein zu
geben für einen politischen Kampf, der für sie gar nichts mehr
bringen kann, weil er mit dem Tod beginnt und im Zeichen des Todes steht.
Aber wo systematisch mit den Mitteln des Terrors gearbeitet wird, wo ein
Terroranschlag dem nächsten folgt, wo das Gesetz der Serie nicht abgebrochen
und nicht einmal in Frage gestellt wird, da ist auch das Recht zu Gegenwehr,
zu Abwehrmaßnahmen nicht in Frage zu stellen. Das würde unsere
Gesellschaft auch für sich in Anspruch nehmen. Und manchem, der vorschnell
urteilt, gebe ich schon zu bedenken: Wie würde denn die bundesdeutsche
Öffentlichkeit sich verhalten, wenn wir nicht mehr bei Kundgebungen wie
dieser sicher sein könnten, wenn wir nicht mehr drüben im Café
entspannt sitzen könnten, ohne Angst vor Selbstmordattentaten, wenn wir
die Kinder nicht mehr zur Schule schicken könnten ohne Angst vor einer
Explosion im Bus. Ich glaube, hier ist Nachdenklichkeit sehr viel hilfreicher
als vorschnelle Besserwisserei. Deswegen ohne wenn und aber 'nein' zum Antisemitismus,
'ja' zum Lebensrecht Israels und 'nein' zum Terrorismus.
Und zum Glück hat Ihre Kundgebung dann das zukunftsweisende Kapitel
'Frieden für den Nahen Osten'. Meine Damen und Herren, daß ist
der entscheidende Punkt, daß wir zur Vision eines Friedens kommen. Und
da bin ich sehr dankbar, daß Paul Spiegel, der Repräsentant des
Zentralrats der Juden in seiner ersten Ansprache dieser Kundgebungswelle
gesagt hat: Natürlich muß auch das palästinensische Volk
ein selbstbestimmtes Leben in einem souveränen Staat führen dürfen.
Das gehört zu einer Friedensordnung dazu. Hier ist den Veranstaltern
ausdrücklich zu danken, daß sie bei der Trauer um die Opfer,
bei der Anteilnahme für die Hinterbliebenen und bei der Vision einer
Friedensordnung nicht einseitig sind, sondern das Lebensrecht der Palästinenser
und ihren Anspruch auf ein Leben in Frieden und Freiheit ebenfalls anerkennen.
Und denen, die hier die Kundgebung kritisiert haben unter der Fahne der Palästinenser,
kann ich nur zurufen, wenn ein Jude die israelische Fahne mit dem Davidstern
ebenso unbeanstandet bei einer Palästinenser-Kundgebung schwenken darf,
wie es hier der Fall ist, dann sind wir den Frieden näher. Meine Damen
und Herren, liebe Münchnerinnen und Münchner, wir können
uns nur wünschen, daß diese Kundgebung nicht mit ihrem Ende vorbei
ist, sondern daß sie der Auftakt ist zu einer kritischen Auseinandersetzung
der deutschen Öffentlichkeit mit jeder Form von Antisemitismus, und
daß sie der Beginn ist einer einhelligen Ablehnung von Terroranschlägen
jeder Art, und daß sie der Beginn ist, den unendlich mühsamen
Friedensdialog für den Nahen Osten wieder in Gang zubringen.