Tag für Tag-Bericht
Dienstag, 18. Mai 2010, Nachmittag Als ich am frühen Nachmittag das Gesundheitsministerium verließ, wollte ich was essen und beschloss, die Al Wehda Straße zum Hotel hinunter zu laufen. Ich fand einen Falafel-Restaurant. Auf dem Weg sah ich eine Reihe von interessanten Geschäften, eine Bäckerei, ein Reisebüro, das noch die Reklame für Palestinian Airways im Fenster hatte, ein Brautkleidergeschäft, von denen ich später noch etliche sah, ein Elektrogeschäft, eine Werkstatt für Tür- und Fensterrahmen - wo man mir erzählte, dass die Aluminiumprofile durch die Tunnel aus der Türkei kämen-, ein Blumenladen mit großen Hochzeitsgestecken. In diesem Fall waren es künstliche Blumen, aber ich habe diese Gestecke auch mit richtigen Blumen gesehen. Das Hotelviertel am Strand scheint ein bevorzugter Platz für Hochzeiten zu sein. In dem einen oder anderen Hotel gab es jeden Tag eine. Wegen der lauten Trommelbegleitmusik konnte man sie kaum verpassen. Fotografieren war unerwünscht. Am westlichen Ende der Al Wehda Straße stand ein halbfertiges Universitätsgebäude mit Gewehr- und Granat-Einschüssen. Beim Weitergehen bemerkte ich ein Gebäude der Wasserbehörde. Ich hatte den Namen von 'Rebhy A. El Sheikh' als Wasserexperte, aber leider nur eine falsche Email-Adresse von ihm. Er hatte sein Büro nicht in diesem Gebäude, aber nach zwei Versuchen gelang es mir, seine Telefonnummer ausfindig zu machen und mich zu einem Interview mit ihm zu verabreden. Vom Hotel aus aufgenommenes Panorama des Hafens und eine ziemlich verrostete Tonne. Das war nicht die neueste Hamas-Rakete, sondern wohl eine Art Leuchtfeuer, das später in Erwartung des Eintreffens der Flottille am Eingang des Hafens aufgestellt wurde. Der Name meines Privattaxifahrers war Al Aa. An diesem Nachmittag vertraute ich also meine Wege Al Aa an. Er sprach etwas Englisch. Außerhalb von Gaza Stadt gab es auf der Küstenseite einige Felder. In einem dieser Felder wurden Gurken geerntet (10). An der nächsten Straßeneinmündung hielten wir an und fuhren dann auf der ins Innere führenden Straße weiter (11). Die Gegend hatte sehr wenig Vegetation. Das hing wahrscheinlich damit zusammen, dass sich auf dem im Hintergrund sichtbaren Gelände eine Siedlung befunden hat. Rechts von der Straße war eine einsame Gruppe von Gebäuden zu erkennen. Diese Gebäudegruppe haben wir uns auf dem Rückweg noch etwas genauer angeschaut. Dahinter war die Ortschaft Al Zahra zu erkennen, durch die wir auf dem Rückweg hindurchfuhren. Unser nächster Halt war direkt 'nördlich' von der für sich allein stehenden Gebäudegruppe (12). Auf der Strecke dorthin filmte ich eine Hütte im Feld. Bei all meinen Fahrten bin ich nie zu einer dieser Hütten hinübergegangen. Mit den meisten Bewohnern hätte ich mich ohnehin kaum unterhalten können. Jedenfalls weiß ich nicht, wann dies nur Feldhütten und wann es Wohnquartiere waren. Da es in dieser Gegend sehr viel zerstörte Häuser gab, gehe ich davon aus, dass die meisten der Hütten, die wir zu sehen bekamen, Wohnquartiere waren. Al Aa interessierte sich sehr für den deutlich luxuriöser aussehenden Gebäudekomplex. Er hatte auch eine Vorstellung, um was es sich handeln könnte. Ich konnte das nicht glauben und zitiere ihn deshalb nicht. Wir haben uns das Gelände auf dem Rückweg angeschaut und den Eindruck gehabt, dass die Bautätigkeit dort von der israelischen Blockade nicht betroffen war. Nachdem besonders in Israel jedermann weiß, dass die Hamas bevorzugt Bunker unter Krankenhäusern baut, nenne ich diese Anordnung hier mal "Erholungsklinik mit Hamas-Bunker", denn es gab auch so eine Art Keller. Der Komplex soll im nächsten Jahr fertig werden und wird dann sicherlich den Charakter einer Klinik für die mentale und physische Genesung haben, wenn auch nicht unbedingt für die Massen. (13), Sicht nach: 'Süden': Palästinensische Universität; 'Osten': früheres Siedlungsgebiet; 'Norden': zerstörte Strukturen (14), Sicht nach: 'Südwesten'; 'Süden', unter den Resten einer Treppe ist der Sand abtransportiert worden; 'Osten': Mondlandschaft; 'Nordwesten': zerstörte Gerüste (wahrscheinlich von Gewächshäusern) (15) Diese Gebäude waren anscheinend als Teil einer neuen Universität geplant. (16) Sicht: 'Südwesten', Al Mughraga im Hintergrund; 'Osten'; 'Nordosten' Zwischen (16) und (17). Es hat den Anschein, dass alle nahe der Straße gelegenen Häuser zerstört wurden. Zwischen (16) und (17), ein kurzes Stück weiter (17) Nach meiner 'Zerstörungs-'Karte' zu urteilen musste die Al-Seka Straße die Hauptstraße nach Süden sein. Deshalb irritierte es mich zunächst als der Taxifahrer in die sehr ruhige Dorfstraße von Al-Mughraqa einbog. Aber er hatte recht. Die UN hat hier irgendwas nicht richtig mitbekommen. Am mit 18 markierten Ort befand sich eine weitere Steinmühle, mit der die Trümmer aufgearbeitet wurden. Ein Stück weiter gab es wieder einmal einige Gebäude mit großen Schildern. Eines davon wies darauf hin, das wir uns in der Tat in der Al-Seka Straße befanden. Deutschland hat Geld für die Reparatur der Straße gestiftet. Nur ein kurzes Stück weiter wurde offensichtlich, dass man noch keine Gelegenheit hatte, das Geld auszugeben (19). Wir hatten keine Wahl und mussten uns zur eigentlichen Hauptstraße, der Salah El-Deen Straße bewegen, die in diesem Bereich auf der Karte kaum angedeutet ist. (19) Al-Seka Straßenprojekt, noch nicht beendet Auf der Salah El-Deen Straße fuhren wir bis zum Eingang des Al-Burej Flüchtlingslagers (20). Durchfahrt durch das Lager (21) In diesem Bereich ist das Flussbett des Wadi Gaza vollkommen trocken, woraus man wohl schließen darf, dass es sich bei dem ganzen ins Meer fließenden Wasser ausschließlich um Abwasser handelt (Bilder davon in Teil 5). (22) (23) Ein zusammengesetztes Panorama (einiger Himmel und etwas Vordergrund ergänzt). Die Sicht geht fast genau nach 'Süden', das heißt die Demarkationslinie befindet sich in einiger Entfernung. Der Zaun ist in der rechten Hälfte des Bildes hinter den Büschen sichtbar. Herr Al Aa steht rechts. Der Bauer lud uns zu einem Tee ein. Weil es aber schon 18 Uhr war, wollte ich lieber weiterfahren, um auf der Rückfahrt noch das Tageslicht nutzen zu können (die Sonne ging etwa gegen 19:30 Uhr unter). Wir fuhren auf dem gleichen Weg durch das Flüchtlingslager zurück. Herr AlAa grüßte im Flüchtlingslager eine ganze Reihe von jungen Leuten, die anscheinend alle mit ihm verwandt waren. An einer Stelle bog er in eine Seitenstraße ein, um mir die Sporthalle des Flüchtlingslagers zu zeigen, die sehr beeindruckend war. Wir überquerten die Hauptstraße und fuhren in das Flüchtlingslager An Nuseirat hinein, das zumindest von der Hauptstraße her zu urteilen wie ein ganz normaler Ort aussah (24). Auf der anderen Seite von An Nuseirat fuhren wir nicht direkt zur Küste hinunter, sondern bogen ab, weil Herr Al Aa mir die moderne Wohnsiedlung Al-Zahra zeigen wollte (25). Es schien dort erheblich weniger lebendig zuzugehen als an den anderen Orten, durch die wir gekommen sind. Auf einer schnellen Straße ging es zurück zur Küste. Wir fuhren nicht direkt zum Hotel zurück, weil Herr Al Aa noch einen weiteren Blick auf den Komplex 'Erholungsklinik' werfen wollte. Eine Sackgasse führte zum Eingang. Es war mittlerweile schon 19 Uhr. Ich kletterte auf einen Geröllhaufen, der sich die Mauer entlang zog, welche das Gelände umschloß. Wegen der dichten Vegetation auf der Innenseite war aber nicht allzu viel zu sehen. In der Zwischenzeit hämmerte Herr Al Aa an das Tor. Zu meiner Überraschung wurde dieses nach einiger Zeit geöffnet und wir durften unter der Auflage, keine Fotos zu machen, eintreten. Im Inneren befand sich ein ziemlich verwinkelter Steingarten mit Nischen und Säulen. Ein Bestandteil, den man von außen nicht ahnen konnte, war ein mit blauem Mosaik ausgelegter Swimmingpool. Wir sahen auch den 'Bunker' unter dem Pavillon – in einem noch unfertigen Zustand. Ich fand ihn etwas bedrückend, weil die Decke ziemlich niedrig war. Zwei Tage später machte ich von der Küstenstraße aus noch ein paar besser aufgelöste Fotos für ein weiteres Panoramabild. Die Küstenstraße lag etwas höher, man konnte dadurch recht gut in die Anlage hineinschauen und es gab auch eine gute Sicht auf den Hintergrund. An diesem Ort kann man offensichtlich seine Fantasie spielen lassen. Dabei ist zu bedenken, dass die Menschen, die hier leben, sich seit Jahren nur in diesem schmalen Landstreifen bewegen können, von dem immer noch Teile alle paar Tage durch Angriffe verwüstet werden. Man schaue sich nur an wie das alte Siedlungsgebiet im Hintergrund aussieht. Ich glaube daher, dass man diesen Ort als den Ausdruck des Willens sehen sollte, hier als selbstbestimmende Menschen zu überleben. Es kann aber durchaus sein, dass diese Einrichtung erst wirklich in Betrieb gehen kann, wenn die Grenzen wieder offen sind. Fortsetzung in Teil 4 Zurück zur Eingangsseite
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