Ein Besuch in Gaza

16.5. 2010 - 26.6.2010

Ein Bericht von Peter Voß, Teil 4

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Tag für Tag-Bericht

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Gaza Karten: 'Zerstörungen'; 'no-go'; 'Satelliten': Google Earth oder Google Maps, sonst (28 MB)

Mittwoch, 19. Mai 2010

Der Bericht über diesen Tag fällt sehr kurz aus. Kurz nach dem Frühstück merkte ich, dass sich ein Magenproblem hatte.
An diesem Morgen hatte ich eine Verabredung mit Abeer Qita im Büro für die Koordination humanitärer Angelegenheiten bei der UN (Humanitarian Affairs Associate at the Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA)). Ich konnte zu Fuß hinübergehen und wollte diese Verabredung nicht versäumen. Abeer Qita gab mir eine PowerPoint-Präsentation zur allgemeinen Lage in Gaza. Wir mussten immer wieder mal unterbrechen, weil ich angefangen hatte, mich zu übergeben.
Viele der Dinge, die sie mir erzählte, waren nicht neu für mich. Was ich aber z.B. nicht wusste, war, wie gefährlich die Generatoren sind. Es handelt sich oft um billige Importe, die auch schon mal explodieren oder zu brennen anfangen. Ich habe mir aufgeschrieben, dass im April 27 Menschen durch Generatorunfälle gestorben sind. Das war aber vermutlich die Zahl für die ersten vier Monate des Jahres.
Ich nahm mir einen OCHA 'Special Focus'-Bericht "Locked in: the Humanitarian Impact of two Years of Blockade on the Gaza Strip"  vom August 2009 mit, der auf 28 Seiten eine Übersicht über die Situation in Gaza enthält.

Bevor ich nach Gaza fuhr hatte ich gelesen, dass in einer Studie über die dortige Lage der Nahrungsmittelversorgung berichtet wurde, dass die Situation für die Menschen in den ländlichen Gebieten schlimmer sei als für die in den Flüchtlingslagern. Ich hatte versucht, einen Verweis zu diesem Bericht zu finden, aber er war auch bei OCHA und – wie sie später herausstellte – auch bei UNRWA offenbar nicht bekannt.

Es ging mir ziemlich schlecht. Ich schlich mich zum Hotel zurück, ging zu Bett und stand bis zum nächsten Morgen nicht auf.

Donnerstag, 20. Mai 2010

Nach dem langen Schlaf fühlte ich mich deutlich besser. Zum Frühstück aß ich nur etwas Brot und eine Banane. Die nächsten Tage ernährte ich mich dann ganz wesentlich von Bananen. Weil das Hotelfrühstück möglicherweise die Ursache für mein Problem war und ich mich in dem Hotel auch im Zusammenhang mit meiner Erkrankung ohnehin nicht so wohl fühlte, zog ich in ein Nachbarhotel, das Beach Hotel, um. Das Hotel hatte ein angenehmes Restaurant (Orient House) mit einer Terrasse auf der Strandseite. Ich aß immer draußen.
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An diesem Morgen wollte ich versuchen, mit Rebhy A. El Sheik, dem stellvertretenden Vorsitzenden der palästinensischen Wasserbehörde, Kontakt aufzunehmen. Zunächst stellte sich heraus, dass man mir die falsche Telefonnummer gegeben hatte. Also musste ich noch einmal zur Zweigstelle nahe der Al-Wehda Straße gehen und bekam dann dort auch die richtige Nummer. Rebhy A. El Sheikh war bereit, mich sofort zu empfangen. Sein Büro befand sich in einem Gebäude direkt gegenüber vom Gesundheitsministerium. Ich habe mit ihm ein 19 Minuten langes Interview aufgenommen (Teil 1, Teil 2).

Bei der Vorbereitung des Gaza Freedom March hatte es von der Organisation her Unklarheiten bezüglich der Wasserversorgung in Gaza gegeben. Deshalb hatte ich mir das Thema mit der Unterstützung von Clemens Messerschmid, der seit vielen Jahren mit der palästinensischen Wasserbehörde zusammengearbeitet hat, genauer angesehen. Die Unterlagen, die er mir geschickt hat, sind anscheinend nicht im Internet veröffentlicht. Es gibt aber einen neuen Bericht (April 2010) von der UNICEF zu diesem Thema, "Water, Sanitation and Hygiene Household Survey Gaza". Meine erste Erfahrung mit dem Leitungswasser im Hotel war ziemlich schockierend: Das Wasser schmeckte sehr salzig. Als ich mir das Haar damit wusch, hatte ich nach dem Trocknen einige Schwierigkeiten mit dem Kämmen. Es war als hätte ich Haarfestiger verwendet.

Herr El Sheikh hatte Probleme mit dem Abwasser erwähnt, das oft im Boden versickert oder ins Meer geleitet wird. Ich wollte mir das ansehen wann immer sich eine Gelegenheit dazu ergab.

An diesem Tag wollte ich Richtung Süden nach Rafah fahren. Ich nahm ein kurzes Video der Al-Wehda Straße auf und winkte dann das nächstbeste Auto heran. Es war nicht gerade die beste Wahl. Ein ziemlich altes Auto mit einer harten Federung und einem ziemlich groben Fahrer. Nach dem Einsteigen war die erste Überraschung, dass ich gar nicht der einzige Passagier war. Die anderen Leute stiegen aber bald aus.
In der Al-Wehda Straße herrschte ein ziemlich dichter Verkehr.

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Al-Wehda Straße: Das erste Foto zeigt das Gesundheitsministerium

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Salah Al-Deen, die Hauptdurchgangsstraße kurz vor dem Wadi Gaza

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Keksfabrik und Moschee bei Deir Al Balah.
Die Probleme der Keksfabrik scheinen in gewisser Weise exemplarisch zu sein für die Situation in Gaza. Der Guardian hatte am 20. Juni 2010 einen ausführlichen Artikel über diese Fabrik und und sie wurde im Zusammenhang mit der Nachricht von der Lockerung der Blockade durch Israel Anfang Juli sogar in den ZDF-Nachrichten erwähnt.

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Khan Yunis

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(1): Khuza'a

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(2) Der Zaun. Das obere Panorama ist mit normaler Vergrößerung aufgenommen worden, das untere demgegenüber mit fünffacher Vergrößerung. Das Panorama wurde aus 15 extrahierten Einzelfotos zusammengesetzt.
Was hier so aussieht wie die Grenze zwischen zwei Staaten, ist in Wirklichkeit ein Gefängniszaun. Die Wärter sind kleine Punkte am Horizont. Die einzige Methode der Kommunikation mit den Gefängnisinsassen ist mit dem Gewehr oder mit dem Geschütz, falls jemand auf die Idee kommen sollte, sich dem Zaun auf weniger als 300 m zu nähern. Das entspricht etwa der Entfernung, aus der die Fotos aufgenommen wurden. Siehe dazu auch UN-Bericht vom 19.8.10.


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Ein paar freundliche Leute versammelten sich um uns. Einer von ihnen wollte mir unbedingt was erzählen. Ich habe leider nichts verstanden. Es konnte auch niemand übersetzen, aber ich habe es aufgenommen. Die kurze Mitteilung war: "Uns gehört ein Stück Land an der Grenze. Die Juden haben es uns weggenommen. Die können machen was sie wollen und hören auf niemanden." (mpg-Video, 10 MB)

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Überall lagen noch die Trümmer herum.

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Es muss für Privatleute eine Verwendung für den Schutt geben (s. AP, 16.8.10). Ich sah solche Transporte immer wieder.

Wir fuhren zurück und dann auf die andere Seite ins Zentrum von Khan Yunis.
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20_31 Eindrücke von Khan Yunis, ein Lastwagen mit Wassertanks.

Rebhy A. El Sheikh hatte ein Wasserbecken in der Nähe von Khan Yunis erwähnt, das ursprünglich nur als Rückhaltebecken für Regenwasser gedacht war, dann aber völlig unkontrolliert verwendet wurde. Die generelle Richtung war klar. Wir fuhren um viele Ecken. An einer Stelle kamen wir nicht über einen Graben an einer Kreuzung. Wie später noch zu erwähnen ist, war der Graben vielleicht auch noch ein Überbleibsel einer israelischen Aktivität. Jedenfalls mussten wir erst einmal eine große Schleife fahren. Ich war ganz stolz, als wir trotzdem an der richtigen Stelle rauskamen.
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(4): Das Abwasserbecken. Schon vom Geruch her war es klar, dass es sich um kein reines Regenwasserbecken handelte. Das Becken grenzt an ganz normale Häuser des Ortes.

Es war nicht schwierig, wieder zur Hauptstraße in Richtung Küste zurückzufinden. Bis vor sechs Jahren befand sich am Ausgang der Stadt ein Kontrollpunkt am Übergang zu einer israelischen Siedlung (5). Die Gegend hat einen ziemlich starken Wüstencharakter und als wir zum Strand hinunter fuhren, sahen wir sogar ein paar Kamele.

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(5) Sicht nach: 'Osten' Richtung Khan Yunis;'Südwest', Universitätscollege für Angewandte Wissenschaften
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Lässiger Transport; ein UN-Sommerlager am Strand.

Rebhy A. El Sheikh hatte erwähnt, dass sich in diesem Strandbereich ein Abwasserausfluss befinden würde. Wir vergeudeten einige Zeit damit, auf der Suche danach die Küstenstraße auf und ab zu fahren. Wir fuhren dann die Küstenstraße weiter Richtung Süden. Ich wollte eigentlich auf der Höhe der Mitte der früheren Siedlungen die Küstenstraße wieder verlassen. Wir bogen aber offensichtlich zu spät ab, denn wir stießen nur auf die südlichen Ausläufer dieses Gebiets.

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(7) Blick nach 'Osten'
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(7) Blick nach 'Südosten', Rafah im Hintergrund;
unvollendete Häuser, die schon auf dem Satellitenbild von 2007 zu sehen sind.

Wir folgten einer breiten unvollendeten Straße in Richtung Rafah. An der mit (8) markierten Stelle standen zwei Schilder, die darauf hinwiesen, da sich hier in der Nähe eine Kläranlage befand. Ich filmte die Schilder und die Umgebung. In einer Richtung standen ein paar Mauersegmente mit irgendwie bekanntem Aussehen. Ich hatte aber nicht viel Zeit darüber nachzudenken, denn ich war plötzlich von mehreren freundlichen Männer in Schwarz umringt, die sich offensichtlich wunderten was ich da wohl triebe. Sie forderten mich auf, ihnen zu einem kleinen Gebäude zu folgen, mit einem Zeltdach und Stühlen davor. Jemand in Zivil erklärte mir, dass ich gerade eine militärische Einrichtung gefilmt hatte. Glücklicherweise konnte ich Dr. Yussef  gleich erreichen, und er muss den Uniformierten wohl eine befriedigende Antwort gegeben haben, denn wir wurden freundlich verabschiedet. Der Mann in Zivil kam mit uns und zeigte mir die Kläranlage, die sich ein Stück weiter am Beginn des Ortes befand (9).

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(8) die Schilder beziehen sich wohl auf eine Erweiterung der bestehenden Kläranlage, die nur etwa die Hälfte des Bedarfs abdecken kann.

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Rafah

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(9) Die Kläranlage

Wir kletterten auf einen Hügel, bei dem es sich offensichtlich um eine mehr oder minder stillgelegte Müllkippe handelte. Durch einen Zaun konnte ich einen Blick auf die Kläranlage werfen, die – wie mir mein Begleiter erklärte – noch von den Israelis errichtet wurde. Vom Hügel aus hatte ich einen guten Blick auf die Umgebung. Ich machte eine Rundumaufnahme mit der Videokamera, leider wieder mit viel zu schneller Bewegung. Ich merkte dies am Abend, und es schien mir wichtig genug, am nächsten Tag noch einmal hierher zurückzukehren, um die Videoaufnahmen zu wiederholen. Ich nahm das Panorama aber auch mit der normalen Kamera auf. Aus letzteren Bildern sind die unten  gezeigten fünf Panoramen zusammengesetzt, die etwas überlappen.

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Blick nach 'Südwesten' auf die Kläranlage.

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Blick nach 'Süden', im Hintergrund Ägypten

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Blick nach 'Südosten'. Mein Begleiter behauptete, dass sämtliche Gewächshäuser im Vordergrund die Überdachungen von Tunneleingängen wären. Nachdem ich mir die Fotos  etwas näher angeschaut habe, glaube ich, dass es doch eher normale Gewächshäuser waren. Die Zelte im Hintergrund gehören aber ganz sicher zu Tunneln. Die rechte Seite des Hintergrundes auf diesem Foto gehört zu Ägypten.

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Blick nach 'Osten', Rafah im Hintergrund.

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Blick nach 'Nordosten', der 'Tal as Sultan'-Bezirk von Rafah

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Wachtürme auf der ägyptischen Seite. Das dritte Foto ist ein Ausschnitt aus dem dritten Panorama. Die weißen Zelte gehören zu Tunneln. Die Hauptgruppe der Tunnel befindet sich allerdings hinter dem Kamm im Hintergrund. Im Vordergrund ist eine Rampe sichtbar, die wahrscheinlich zu einem Tunnel führt.

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Abwasser wird auf die Müllkippe gepumpt. Als ich diese Bilder aufnahm, hatte der starke Zufluß gerade aufgehört. Das Abwasser fließt anscheinend irgendwann aus einem Rohr ins Meer.

Es war 15 Uhr und der Fahrer teilte mir mit, dass er um 16 Uhr in Gaza Stadt zurück sein müsse. Ich hätte aussteigen können, beschloss aber, mit ihm zurückzufahren. Wir fuhren durch das Zentrum von Rafah und bogen dann nach 'Norden' ab. Der Fahrer fuhr durch die Innenstadt von Khan Yunis und dann zur Durchgangsstraße Salah Al-Deen. Er bog dann ab und fuhr durch Deir Al-Balah hinüber zur Küstenstraße,
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Eindrücke von Rafah

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Salah Al-Deen Straße

20_86 20_87 20_88 20_89 20_90 Durchfahrt durch Deir Al-Balah vor dem Flüchtlingslager.

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Auf dem Küstenstraßenstück vom Deir Al-Balah-Flüchtlingslager bis kurz vor Wadi Gaza

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Die Brücke über Wadi Gaza auf der Höhe des An Nuseirat-Flüchtlingslagers (siehe auch Teil 5)

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Einfahrt nach Gaza Stadt auf der Küstenstraße. Das Auto im ersten Foto in der zweiten Reihe fährt möglicherweise in den Hafen. Das letzte Foto zeigt auf der linken Seite den Eingang zum Beach Hotel. Vor jedem Hotel saßen Wachleute.

Fortsetzung in Teil 5