Ein Besuch in Gaza

16.5.2010 - 26.6.2010

Ein Bericht von Peter Voß, Teil 6

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Tag für Tag-Bericht

GazaNoGoKl
Gaza Karten: 'Zerstörungen'; 'no-go'; 'Satelliten': Google Earth oder Google Maps, sonst (28 MB)

Samstag, 22. Mai 2010

Dies war der Tag, an dem meine Genehmigung auslief, an dem ich also nach Ägypten zurückkehren mußte. Der Rafah-Übergang war von ägyptischer Seite am Mittwoch geschlossen worden. Es würde dort also wenig los sein und daher müßte ich dort entweder schnell durchkommen oder gar nicht. Es bestand also kein Grund besonders früh dort zu sein. Ich wollte noch bei der UNRWA vorbeischauen in der Hoffnung, dort einige Informationen zu bekommen. Deshalb tauchte ich kurz nach 8.30 Uhr am UNRWA-Hauptquartier auf. Dort erfuhr ich, dass man eigentlich grundsätzlich einen Termin verabreden muß. Möglicherweise wäre aber doch jemand bereit mit mir zu reden. Derjenige war aber noch nicht da und sollte bis 10 Uhr aufgekreuzt sein.

Mir waren viele Studenten in den Straßen aufgefallen und ich fragte deshalb, ob es einen Papierwarenladen in der Nähe gäbe. Ich hatte von Engpässen bei Papier und Bleistiften gehört und hätte gerne gewußt wie die aktuelle Situation aussah. Es gab mehrere Läden in der nahegelegenen Hauptstraße, Jamal Abed El Naser Straße.
Ich ging in einige von ihnen hinein und fotografierte die Regale. Die Situation war ähnlich wie in den Supermärkten. Die wesentlichen Dinge waren vorhanden und kamen durch die Tunnel. Die Kugelschreiber kamen aus China, die besseren für 6 Schekel (€1,20), die einfachsten schon für 1 Schekel. Ein ganzer Stapel UHU-Klebstoff stammte aus Kroatien und kostete 10 Schekel die Tube. In einem der Läden fragte ich den Inhaber was wäre, wenn ich 5000 Kugelschreiber haben wollte. Er meinte er müßte sie bestellen. Es würde etwa eine Woche dauern.

Ich hatte noch etwas Zeit und lief die Straße entlang. An einem der Gebäude war eines der häufigen großen Schilder zu sehen, das hier auf ein deutsches Entwicklungsprojekt hinwies. An den kaputten Scheiben des nächsten Fensters konnte man sehen, dass dieses Projekt wohl auch nicht sehr weit gekommen ist.
Auf der anderen Seite der Straße war der Eingang (für männliche Studenten) der 'Islamischen Universität Gaza'. Ich ging hinüber, sah im Hintergrund ein interessantes modernes Gebäude und fragte mich, ob ich da wohl hineingehen könnte. Ein Student mit einer Laptoptasche über der Schulter nahm mich mit und führte mich zum Vizedirektor für Öffentlichkeitsarbeit, Herrn Ayesh. Dieser erklärte mir einiges zur Universität und führte mich dann zum hinteren Teil des Geländes, um mir ein tiefes Loch zu zeigen, wo sich bis vor einem guten Jahr noch des Laborgebäude, das wertvollste Gebäude der Universität befunden hatte. Es wurde ausgebombt.

Das Gebäude, das ich durch das Eingangstor gesehen hatte, war das Gebäude der Ingenieursfakultät. Der Eingang für die weiblichen Studenten befand sich dahinter an der Seitenstraße, an der sich auch der westliche Eingang des UNRWA-Geländes befand. Das unten wiedergegebene Panorama wurde im 'weiblichen' Innenhof aufgenommen. Es war Zeit, zur UNRWA zurückzukehren. Herr Ayesh begleitet mich zum Tor. Auf dem Weg dorthin begegneten uns einigen Professoren der Ingenieursfakultät, von denen überraschenderweise zwei deutsch sprachen. Wir tauschten unsere Visitenkarten aus.

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Buch- und Papierwarengeschäfte
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Ein deutsches Projekt

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Die Islamische Universität Gaza; der Student, der mich mit hinein nahm: Herr Ayesh zeigt mir den Ort, wo sich früher das Laboratoriumsgebäude befand.

Als ich am UNRWA-Tor eintraf, war mein möglicher Gesprächspartner noch nicht erschienen. Es war ja der Tag nach dem Wochenende. Nach einigem Drängen gab man mir die Telefonnummer des UNRWA-Medienbetreuers, den ich später anrufen wollte.

Ich holte mein Gepäck und machte mich auf den Weg nach Rafah. Bei der Fahrt hinaus aus Gaza Stadt kamen wir in der Al Aqsa Straße an einer Reihe moderner Wohnblöcke vorbei. Für das unten gezeigte Panorama mußten die Einzelbilder in der Größe angepasst werden, weil sie aus dem fahrenden Auto aufgenommen wurden. Die Bildsequenz war hier von rechts nach links.
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Moderne Wohngebäude an der Al Aqsa Straße

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Einige Aufnahmen entlang der Salah El-Deen Sraße
So trocken wie alles war, schien noch nicht einmal das Unkraut zu wachsen.
Die Tankstellen entlang der Straße waren recht modern. Diese ist während der Operation 'Gegossenes Blei' sehr ordentlich zusammengeklappt.

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Abholen von Hilfsgütern

Ein mit Wassertanks und Wasserleitungen beladener Lastwagen war offenbar wegen eines Problems liegengeblieben. Wir drehten um, um uns das etwas genauer anzuschauen. Mein Fahrer fand es unheimlich lustig. Wahrscheinlich ist das Fahrzeug noch lange nicht Schrott.
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Als wir uns dem Zugangstor zum palästinensischen Terminal (im Hintergrund) näherten, wurden wir von einem 'Viva Palestina'-Krankenwagen überholt. Während meines Aufenthaltes sah ich mehrere von ihnen.
Auf der linken Seite der Straße befanden sich mehrere Cafes. Das Wachpersonal am Tor ließ niemand in den Terminalbereich, für den nicht ein Hinweis vorlag, dass er oder sie mit einiger Wahrscheinlichkeit von den Ägyptern durchgelassen würden. Es sah so aus als hätte ich diese Aussicht. Man sagte mir, ich hätte zu warten, bis eine Gruppe von US-Amerikanern auftauchen würde.
Ich setzte mich in den bequemen Warteraum und schaute mir im lokalen Al-Aksa Fernsehen einen Sänger und ein paar Tänzer an. Gegen Ende der Szene wurde Jerusalem mit dem Felsendom gezeigt, ein Ort, der für die Gazaer so unerreichbar ist wie der Mond.

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Die Amerikaner kamen nie. Gegen 18:30 Uhr wurde mir gesagt, das Gelände würde geschlossen und ich solle am nächsten Tag wiederkommen. Es war Zeit Kairo anzurufen. Nach einiger Zeit berichtete mir mein Kontakt, dass die ägyptische Seite mich erst am Mittwoch erwartet hätte. Später bekam ich mit, dass es auch dann, wenn Rafah offiziell geschlossen ist, mittwochs und donnerstags immer einen Grenzverkehr auf niedrigem Niveau gibt.
Mittlerweile ist Rafah ständig geöffnet. Das heißt jedoch nicht, dass es jetzt leicht ist hinein- oder herauszukommen.

Es wurde dunkel. Ein Wachmann half mir mein Gepäck zum äußeren Kontrollpunkt zu ziehen. Mit ihm hatte ich mein einziges wirklich unangenehmes Erlebnis, denn als wir draußen waren und ich ein Taxi nehmen wollte, versuchte er mich im Zusammenhang damit zu erpressen. Ich hatte aber zwei Telefonnummern von privaten Taxifahrern.

Es mußte mich aber niemand abholen, denn ich konnte bald darauf mit einem Sammeltaxi nach Khan Yunis mitfahren und von dort brachte mich ein anderes Sammeltaxi zu meinem Hotel. Der Taxifahrer, ein älterer Mann, weigerte sich von mir Geld anzunehmen. Es hatte schon jemand für mich bezahlt.

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Taxiwechsel um 21:30 Uhr in Khan Yunis

Sonntag, 23. Mai 2010

Es war ziemlich klar, dass ich bis Mittwoch bleiben mußte. Weil ich aber überhaupt nichts Schriftliches in den Händen hatte, wollte ich auf Nummer Sicher gehen und fuhr am Vormittag noch einmal nach Rafah. Ich war in telefonischem Kontakt mit einem der Offiziere dort, und um 10 Uhr meinte dieser ich sollte mich auf den Weg machen. Einer der am Kontrollpunkt auch Wartenden erzählte mir später, dass die amerikanische Gruppe wohl schon durchgefahren war bevor ich dort eintraf. Wahrscheinlich spielte das aber für mich gar keine Rolle.
Ich hatte an einem Tag beim Frühstück eine Engländerin getroffen, die 4 Monate in Gaza festgesessen ist, und deshalb war es für mich zunächst nur wichtig Präsens zu zeigen. Es war ja eigentlich eine angenehme Überraschung, dass ich noch ein paar Extratage hatte. Ich ließ die Wachleute und den Offizier wissen, dass ich am Tor war und ließ mich in einem der Cafes in der Nähe nieder.

Es passierte nicht allzu viel. Zwei große Lieferlastwagen mit Limonade (die wahrscheinlich hundertprozentig über die Tunnel hereingekommen ist) fuhren vor. Die Fahrer hatten es nicht eilig. Als sie nach etwa einer Stunde aufbrachen, hatte eine der Flaschen wohl zu viel Sonne abbekommen und explodierte.

Eine größere Anzahl schwerer Lastwagen mit leeren Pritschen traf ein. Sie fuhren aber nicht durch das Tor, sondern schienen den Terminalkomplex umrunden zu wollen. Sie waren auf dem Weg zum Übergang Kerem Shalom, der für viele Monate der einzige Warenübergang nach Israel war. Die Straße zum Übergang verläuft zwischen dem palästinensischen und dem ägyptischen Kontrollpunkt und dann weiter direkt an der Grenze zu Ägypten entlang.
Rund eine Stunde später kehrten die Lastwagen mit Obst und Gemüse beladen zurück.

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Aussicht vom Cafe auf das Tor des Kontrollpunkts; Lastwagen auf dem Wege nach Kerem Shalom und auf dem Rückweg.

Ich blieb 3 Stunden. Der palestinänsische Offizier hatte wohl beschlossen, Anrufe von mir lieber erst gar nicht mehr anzunehmen. Ich benachrichtigte meinen Kontaktmann in Kairo, dass ich zum Hotel zurückkehrte und dass ich es am Mittwoch wieder versuchen würde.

Als ich am Hotel eintraf, war es dann doch schon später Nachmittag. Ich setzte mein Fahrrad wieder zusammen und fuhr zur äußeren Mole des Hafens hinaus, um mir die dortigen Aktivitäten etwas genauer anzusehen. In den israelischen Zeitungen waren die Vorbereitungsarbeiten für die Ankunft der Free Gaza Flotille erwähnt worden. Offenbar sollte die Hafeneinfahrt etwas vertieft werden. Auf einem Ponton sah ich einen Bagger, dessen Schaufel das Wasser gerade mal so erreichte. Sehr viel wirksamer war sicherlich ein Absaugboot, das den Sand hinter die Mole pumpte.
Der Mole sah man an, dass die Israelis keinen Aufwand und keine Kosten gescheut hatten, sie etwas umzuordnen.

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