Olivenernte in Palästina Teil
3
(EinTeil der Bilder kann durch Mausklick in größerer Form aufgerufen werden) Jamma'inAn zwei Tagen in vier Tagen Abstand waren wir in einem Hain, der zum Dorf Jamma'in gehörte und der nicht weit von der Siedlung Kfar Tapu'akh (nahe Kontrollpunkt Zaatara) gelegen war (s. Karte in Teil 1). Hier halfen wir dem Bauern, dem die Siedler vier Tage zuvor sein Maultier gestohlen hatten. Der Hain war ziemlich weit vom Dorf entfernt und dorthin zu gelangen war recht umständlich. Wir fuhren mit dem Sammeltaxi zur Straßensperre beim Dorf, wurden dort mit dem Auto abgeholt und ins Dorf gefahren, und von dort aus ging es auf dem Anhänger eines Traktors weiter zum Hain, wobei die Siedlerstraße gekreuzt werden mußte. Dabei mußten auf beiden Seiten der Straße die Sperren umfahren werden. Während wir an der Sperre zum Dorf warteten, gab es auch wieder einigen Anschauungsunterricht. Das Gelände um die Sperre herum war nicht sehr steil, und deshalb hatte man durch den angrenzenden Olivenhain eine Umfahrung angelegt, die aber bestenfalls mit Kleinlastwagen zu befahren war und dies auch nur in mäßigem Schritttempo. An einem Morgen wurde gerade zwischen zwei Tankfahrzeugen, die diesen Weg nicht nehmen konnten, von der einen Seite zur anderen gepumpt. Karin, unsere Betreuerin vom IWPS, kam an einem Tag mit ihrem Freund Matthias aus Jerusalem, um mitzuhelfen. Matthias stellte sein Auto, das ein israelisches Kennzeichen hatte, an der Sperre ab. Auf der Kühlerhaube befand sich ein etwa 70 cm langer Aufkleber mit den deutschen Landesfarben, eine wohl recht wirksame Vorbeugemaßnahme gegen Beschädigungen durch pälästinensische Steinewerfer. Der zweite Tag war für mich der letzte Tag in den Olivenhainen. Erst an diesem Tag fing ich an, ohne Leiter in den Bäumen herumzuturnen. Die Äste halten das Gewicht eines Menschen anscheinend ganz gut aus. Man hatte eine wunderbare Aussicht und es gab Gelegenheit, aus der Baumspitze heraus ein paar Bilder aufzunehmen, die wie das nebenstehende z.B. zeigen, wie man ziemlich freihändig auf den obersten Sprossen einer recht wackeligen Leiter stehend pflücken kann. Es war wahrscheinlich unser längster Arbeitstag. Auf der Rückfahrt auf den gefüllten Säcken auf dem Anhänger des Traktors sitzend, fütterte uns die Bäuerin die ganze Zeit mit geschälten Äpfeln, Mandarinen und Birnen. Obwohl sie wahrscheinlich fast 12 Stunden nichts getrunken und gegessen hatte, schien es ihr nichts auszumachen. Wie man sich denken kann, ist nichts zu trinken schwieriger auszuhalten. YanunWir fuhren ein weiteres Mal mit der von den "Rabbis for Human Rights" organisierten Gruppe mit. Diesmal ging es nach Yanun.Yanun ist ein besonderer Ort. Andreas Bock und Günter Wimmer, beides Mitglieder der "Friedensaktion Palästina", waren im Frühjahr dieses Jahres dort und Andreas hat die dortigen Umstände in seinem Bericht ausführlich beschrieben. Es ist ein Dorf, das von der Siedlung Itamar und deren Außenposten umgeben ist, von wo aus regelmäßig Angriffe auf das Dorf durchgeführt wurden und weiterhin werden, wobei es zu Ermordungen und schweren Verletzungen kam. Das führte dazu, daß die letzten Bewohner das Dorf im Jahr 2002 aufgaben. Daraufhin wurde Ende des gleichen Jahres durch israelische und internationale Organisationen ein ständiger Beobachterposten im Dorf eingerichtet, was etwa 80 Bewohner (von ursprünglich 300) bewog, dorthin zurückzukehren. Nach wie vor getrauen sich die Bewohner aber stellenweise nicht ohne Schutz in Haine, die nur 150 m von ihren Häusern entfernt liegen. Auf der Fahrt nach Yanun lernte ich einmal mehr die besondere Situation kennen. Als ich bereits im Bus saß, bemerkte ich, daß ich schon seit Tagen meinen Paß nicht bei mir hatte. Auf dem Hinweg fuhren wir durch den Kontrollpunkt Zaatara. Kein Problem. Der Bus aus Jerusalem hielt noch nicht einmal an, sondern fuhr einfach an der Schlange der wartenden Autos vorbei. Bei der Zufahrt in das Tal von Yanun mußte erst einmal eine eher handgemachte Straßensperre zur Seite geräumt werden. Die Straße in das Tal hinein war in einem ziemlich fürchterlichen Zustand, darf aber anscheinend nicht repariert werden. In Yanun wartete Militär auf uns im höher gelegenen Teil des Dorfes. Unsere israelischen Begleiter erzählten uns von ihren recht ambivalenten Gefühlen gegenüber dem Militär in einer solchen Situation. Das Militär ist primär dafür eingesetzt, die Siedler zu schützen. Das heißt aber nicht, daß die Soldaten und ihre Führung diese Politik als geschlossener Block unterstützen. Wir selbst hatten einmal 5 Minuten Gelegenheit, uns mit Soldaten zu unterhalten, als wir auf den Bus warteten. Sie luden uns von der anderen Straßenseite aus zu einem Kaffee ein, mit der ausdrücklichen Bemerkung, daß sie uns zeigen wollten, daß das Militär nicht so schlecht wäre wie sein Ruf. Wir unterhielten uns über den wenige Tage zuvor zu Tode gekommenen palästinensischen Jungen, kamen aber nicht sehr weit, weil der Bus eintraf. In diesem Teil von Yanun pflückten wir nur relativ kurze Zeit in einem Hain nicht weit von den Häusern. In einem dieser Häuser war auch die Wohnung der Internationalen. Es wurde dann vor den Häusern noch einige Zeit mit den Soldaten palavert. Das war eine Gelegenheit, sich auch mal deren Jeeps etwas aus der Nähe anzuschauen. Sie sahen ringsherum aus, als wären sie in den Hagel geraten - ein vor einigen Jahren in München nicht ungewöhnlicher Anblick -, was aber in dieser Gegend nicht sehr wahrscheinlich war. Außerdem hätten einige dieser Hagelkörner Fußballgröße gehabt haben müssen, so daß es sich wohl eher um beachtlich große Steine gehandelt haben muß. Wir fuhren dann zum unteren Teil des Dorfes, der rund einen Kilometer entfernt liegt. Nur während der Fahrt hatte man kurz einen Blick auf Siedlergebäude auf der Anhöhe. Yanun war die einzige Stelle während meines Aufenthaltes, wo man in einem Olivenhain stehen konnte und in keiner Richtung etwas von den israelischen Siedlern bemerkte. Ein wirklich paradiesisches Plätzchen und vielleicht gerade deswegen besonders gefährlich. Im unteren Teil von Yanun angekommen, wurde die Gruppe aufgeteilt. Ein Teil blieb an der Straße beim Dorf und eine kleinere Gruppe, zu der ich gehörte, sollte mit dem Traktor zu einer etwas weiter entfernten Stelle fahren. Mittlerweile war Militär in einem weißen Jeep angekommen. Die Bedeutung der Farbabweichung wurde nicht so ganz klar, möglicherweise handelte es sich bei den Insassen um Offiziere. Jedenfalls wollte man uns zunächst nicht fahren lassen, weil die Bewachung nicht sichergestellt war. Erst als geklärt war, daß wir in Sichtweite bleiben würden, durften wir und eine weitere Familie uns hinaus begeben. Auf dem obigen Bild mit dem Traktor ist der weiße Jeep das Pünktchen in der Ferne über der linken Seite des Traktors. Bei der in der Nähe des Dorfes gebliebenen Gruppe, wo sich auch das Militär aufhielt, tauchte später ein einzelner Siedler auf, und es muß zwischen ihm und den Soldaten eine ziemlich heftige Debatte gegeben haben. Anschließend kam er dann zu uns herausgefahren und hielt bei der zweiten Familie, die näher an der Straße war als wir. Anscheinend kontrollierte er bei diesen irgendwelche Papiere. Die Israelis in unserer Gruppe rieten uns, erst einmal abzuwarten. Es dauerte auch nicht lange, bis der weiße Jeep angebraust kam und der Siedler sich sofort verzog. Später kurvte ein Siedler auf einem vierrädrigen Geländewägelchen in der Gegend herum, woraufhin sich der Jeep auch sofort wieder bei uns einstellte. Deir IstiyaDeir Istiya
ist der
nächste Ort nördlich von Haris. Wir arbeiteten direkt
an der Straße und
von dort war wohl auch der einzige Ärger zu erwarten.
Irgendwann im Laufe des Vormittags
hielt dann
auch ein Siedler an der Straße an und kam zu uns
herüber. Ich war zu
weit weg, um mitzubekommen was er wollte. Da er die
Olivensäcke
inspizierte,
nahm ich vorsichtshalber schon mal telefonischen Kontakt zum IWPS-Haus
auf. Er hat sich aber nur erkundigt, ob er Oliven kaufen
könne.
In diesem Hain stand der gewaltigste Olivenbaum, den ich auf dieser Reise sah. Ich war ganz enttäuscht, als man mir sagte, daß er 'nur' etwa 200 Jahre alt war. Dieser Hain war einer der Orte, wo wir früher aufbrachen. Während der Rest der Gruppe ein Taxi nahm, lief ich die Straße entlang nach Haris, weil ich beim IWPS-Haus vorbeigehen wollte. Es gab einige schöne Aussichtspunkte, u.a. mit dem obigen Anblick des Ortes. Nicht weit vor Haris kam mir ein palästinensischer Junge auf dem Fahrrad entgegen. Radfahrer waren ein ziemlich seltener Anblick, aber ansonsten war er für mich nicht weiter auffällig. Erst als er gleich wieder zurückkam wurde mir klar, daß er sich wahrscheinlich völlig 'illegal' auf dieser Straße bewegte. Er wollte vermutlich wenigstens kurzzeitig mal auf einem glatten Stück Straße fahren. RevavaDas linke Bild zeigt die Zufahrt nach Revava an der Hauptstraße. Etliche der Laternenmaste sind mit israelischen Fahnen behängt, wie überhaupt an israelischen Fahnen bei und in den Siedlungen kein Mangel besteht. Der links sichtbare Wachtturm war nicht besetzt. Die Familie, der wir an diesem Tag halfen, galt als wohlhabend. Ein Großteil der Familie lebte aber in Jordanien. Der Bauer war von Beruf Lehrer, hatte viele Jahre in Jordanien unterrichtet und war erst im (Vor-) Ruhestand mit seiner Frau und seinen jüngeren Kindern nach Palästina zurückgekehrt. Wir trafen uns am Ortseingang zu Haris und liefen das kurze Stück zu den Hainen die Straße entlang. Auch hier wieder überraschend, daß außer dem Bauern und seiner Frau niemand dabei war. Die Frau war außerdem durch Krankheit äußerst übergewichtig und tat sich sichtlich schwer. Sie hatten außer ein paar Plastikeimern und einigen Säcken überhaupt nichts dabei, keine Planen und keine Leiter. Auch die 16- und 18-jährigen Söhnen waren zuhause geblieben. Allem Anschein nach wollte man an diesem ersten Tag erst mal herausfinden, unter welchen Umständen überhaupt gearbeitet werden konnte. Hansruedi und ich übernahmen es, in der Siedlung unsere Anwesenheit irgendwie kundzutun. Die Grenze der Siedlung war zur Straße hin mit einer Stacheldrahtrolle markiert, die aber nicht an den vorhandenen Pfosten befestigt war. Stellenweise war sie breit auseinandergezogen. Man konnte den Draht praktisch an jeder Stelle niedertreten und in die Siedlung hineingehen. Wir gingen zuerst zum nicht besetzten Militärposten und dann in die Siedlung. Nach kurzer Zeit trafen wir jemand, der seinen Hund ausführte. Wir erzählten ihm, daß wir am Zaun Oliven pflücken würden. Seine spontane Reaktion war zunächst einmal die, daß es überhaupt keinen Zaun gäbe. Dann bot er an, dem Sicherheitsoffizier unsere Anwesenheit mitzuteilen. Um ganz sicher zu gehen, klingelten wir auch noch bei dem Haus, das dem Olivenhain am nächsten stand. Eine Familie mit zwei kleinen Kindern. Der Hausherr wollte uns die Telefonnummer des Sicherheitsoffiziers geben, mußte aber eine ganze Weile herumsuchen, weil diese sich geändert hatte. Er meinte, das wäre doch ein gutes Zeichen; er hätte die Nummer schon lange nicht mehr benötigt. Der Bauer erzählte uns später, daß es vor Beginn der letzten Intifada durchaus persönliche Kontakte zwischen den Palästinensern und den Siedlern gegeben hätte. Die Pflückerei nur mit Eimern war nicht gerade ein Vergnügen. Außerdem merkte man, daß die Bäume teilweise stark verwildert waren. Es war wohl in erster Linie nur wichtig, daß der Hain überhaupt bearbeitet wurde. Wenn dies drei Jahre lang nicht geschieht, besteht offenbar die Gefahr, daß ein Palästinenser das Anrecht auf sein Land ganz verliert. Auch an diesem Tag brachen wir früher auf. Die Frau war sichtlich froh darüber. Vorher besichtigten wir noch die Reste des Olivenhains innerhalb der Siedlung. Verkohlte und umgestürzte Baumstümpfe. Ein Anblick, den man sich eigentlich nicht vor seinem Garten wünschen würde, aber den man vielleicht aus dem Wohnzimmerfenster schon nicht mehr wahrnahm, weil das Gelände tiefer lag. RückkehrDrei von uns fuhren zusammen nach Jerusalem. In Jerusalem besichtigte ich noch einige Teile der Altstadt und besorgte mir bei der UN-Vertretung Kartenmaterial zu den Straßensperren im Westjordanland. Davon sind oben Ausschnitte wiedergegeben. Wir trafen uns abends noch kurz mit Karin, unserer Betreuerin, und gingen noch einmal zusammen zum Essen.Ich fuhr dann am Abend zum Flughafen nach Tel Aviv, wo der Heimflug für 6 Uhr morgens angesetzt war. Die Kontrolle am Flughafen ging sehr schnell. Lauter junge Kontrolleure. Die Kontrolleurin schien mir fast aufgeregter zu sein als ich, weil sie wahnsinnig schnell sprach. Meine Kartenrolle wurde vor dem Röntgengerät kurz angeschaut, wurde mir aber kommentarlos zurückgegeben. Wenn man in Tel Aviv in eine intensivere Kontrolle hineingerät, dann dauert das bekanntermaßen etwa drei Stunden. Ergänzung: Tod eines PalästinenserjungenBei allen Fahrten mit den Israelis im Bus der "Rabbis for Human Rights" wurde über den Tod des 16-jährigen Palästinenserjungen in der Nähe eines Außenpostens südlich von Nablus gesprochen. Die Einzelheiten wurden von Mal zu Mal gräßlicher. Die Ausgangssituation war wohl die, daß Siedler Palästinenser aus einem Olivenhain vertrieben haben. In der Folge starb der Junge unter Umständen, die von den Israelis als Terrorismusakt behandelt wurden, und die deshalb als Militärangelegenheit unter Verschluß blieben.Ich versuchte nach meiner Rückkehr, von den Rabbis den letzten Stand zu erfahren. Rabbi Arik Aschermann, der Gründer der Gruppe, schrieb mir zurück:"I unfortunately don't have much inside information. I know that the police have not been allowed to investigate because the army declared it a terror incident. I also know that there were things found on the body which make it more difficult (but not impossible) to maintain that he was innocent. As you point out, there were also signs of violence which prompted the family to send him to a pathological institute in Abu-Dis" (Ich habe leider wenig interne Information. Ich weiß, daß die Polizei den Fall nicht untersuchen durfte, weil er von der Armee zu einem Terrorvorfall erklärt wurde. Ich weiß auch, daß am Körper Dinge gefunden wurden, die es schwierig (aber nicht unmöglich) machen, seine Unschuld zu behaupten. Wie du (in deiner Anfrage) angedeutet hast, gab es Zeichen von Gewaltanwendung, die die Familie veranlaßten, ihn in ein pathologisches Institut in Abu-Dis zu schicken). Die Gespräche im Bus drehten sich auch darum, wie die Dinge, die am Körper gefunden wurden, dorthin gelangt sind. Als ich Arik Aschermann über die Fertigstellung dieses Berichtes informierte, schrieb er am 23.12.04 zurück:" I would prefer that you update the quote, as it was written at a stage when it was much more difficult to know what happened. At this point, there is mounting evidence that the boy was murdered. The police were finally allowed to conduct an investigation and have recommended prosecution. While it is still impossible to definitively know what happened, I do at this point believe that he was murdered. (Ich möchte dich bitten, das Zitat zu aktualisieren, weil es zu einem Zeitpunkt geschrieben wurde, als es noch sehr viel schwieriger war, zu wissen was passiert ist. Es gibt jetzt zunehmend Beweise, daß der Junge ermordet wurde. Es wurde der Polizei endlich erlaubt, den Fall zu untersuchen, und sie hat Strafverfolgung beantragt. Obwohl es immer noch unmöglich ist, genau zu sagen was geschehen ist, glaube ich beim jetzigen Stand, daß er ermordet wurde.)" Der Zweig im Kopf ist dem Logo des International Womens' Peace Service entnommen. Dem IWPS sei hier noch einmal für unsere Betreuung gedankt sowie Irmgard und Pete vom Internationalen Versöhnungsbund für ihren Einsatz bei der Vorbereitung der Reise. nach oben zurück zu Teil 2 |