Olivenernte in PalästinaPeter VoßTeil 1(EinTeil der Bilder kann durch Mausklick in größerer Form aufgerufen werden) Es gab schon früher Gelegenheit, nach Palästina mitzufahren, ohne festes Ziel. Das war mir zu abenteuerlich. Eine Olivenernte hatte dagegen für mich einen klaren Rahmen, der mir gut geeignet erschien, die Verhältnisse aus nächster Nähe kennenzulernen. Was würde ich in Palästina wollen? Zunächst einmal möglichst viel vom Land und vor allem von den Menschen sehen. Was haben die Palästinenser von einem solchen Besuch? Während der Olivenernte werden israelische und internationale Aktivisten als Beobachter, als Begleitschutz und als Helfer benötigt. Außerdem werden die Palästinenser vermutlich froh sein um jeden Ausländer, der sich noch bei Ihnen blicken läßt, und sie können die Hoffnung haben, daß er oder sie einem möglichst großen Kreis über das Gesehene berichtet. Dies ist der Bericht eines Erstreisenden, der versucht, seine eigenen Wahrnehmungen zu verarbeiten. Die politischen Verhältnisse sind vielfach beschrieben worden, aber wenn man vor Ort ist, sieht manches doch anders aus. Ich habe mich etwas vorbereitet. Besonders der historische Rückblick des Buches von Gudrun Krämer (Geschichte Palästinas, 2002, Verlag C.H. Beck) war für mich sehr instruktiv, weil man eher versteht, warum um dieses Stückchen Land so verbissen gerungen wird.
AbreiseMeine Frau machte sich Sorgen, aber sie willigte ein. Am 20 Oktober 2004 flog ich nach Tel Aviv. Ich reiste alleine als Tourist mit Koffer und Schultertasche. Der israelische Beamte im Münchner Flughafen bemerkte meine nagelneuen Wanderschuhe. Sie waren auch wirklich schön. Im Flughafen von Tel Aviv traf ich mich mit Heidrun, einer Münchner Friedens-Mitkämpferin. Wir fuhren mit dem Bus nach Jerusalem und hatten dort gut einen halben Tag Zeit für einen Besichtigungsrundgang, der sich auf die Altstadt beschränkte. Heidrun war nicht das erste Mal dort. Sie hat u.a. vor Jahren das ganze Westjordanland bei einem Friedensmarsch von Nord nach Süd durchwandert.Ausschnitt aus einer UN-OCHA-Karte des Westjordanlands, die rot den fertiggestellten und den geplanten Verlauf der Mauer zeigt. Der Bezirk Salfit verliert dadurch etwa die Hälfte seines Territoriums Zur ErnteAm nächsten Tag um 13 Uhr begann am Busbahnhof nördlich des Damaskustores die Busreise in das Westjordanland. Zumindest ich wußte nicht so richtig, wo es hinging, aber wir hatten ein paar Anweisungen, wie wir zu unserer vom IWPS (International Women's Peace Service) organisierten Gruppe von deutschsprachigen Olivenpflückern stoßen konnten, deren Mitglieder teilweise schon länger da waren, und die an diesem Tag umzogen.Wir fuhren durch die Vororte von Jerusalem nordwärts Richtung Ramallah bis zum Kontrollpunkt Qualandya, wo wir in ein Sammeltaxi umstiegen. Vor Qualandya fuhr der Bus durch Nebenstraßen. Wir erfuhren von Mitreisenden, daß die Hauptstraße gerade für den Mauerbau auf- und abgerissen wurde. Die Mauer entstand genau auf der Mitte der Straße. Das letzte Stück ging es die Mauer entlang. Sie sah eigentlich relativ unscheinbar aus. Ich konnte nicht glauben, daß sie 8 m hoch sein sollte. Vielleicht gibt es auch niedrigere Teile. Wir stiegen in eines der orange Sammeltaxis um, das uns zum Kontrollpunkt Zaatara bringen sollte. Es ist die nördliche Strecke nach Nablus, auf israelischen Karten als Shchem bezeichnet. Die Merkwürdigkeit dieser Straße mit der Nummer 60 wurde mir erst später bewußt. Es gab sehr schöne gut leserliche dreisprachige Wegweiser, häufig zwei davon, der erste für den Abbiegerverkehr, der zweite für den Geradeausverkehr. Da könnten die deutschen Minischildchen-Aufsteller einiges lernen. Die Namen sagten mir nichts. Erst später wurde klar, daß keine der kleineren palästinensischen Ortschaften hier auftauchte. Sie sind von dieser Straße aus unerreichbar. Man stelle sich vor, man führe in Richtung Norden aus München heraus und es gibt kein Garching, kein Eching, kein Allershausen usw., später dann vielleicht Ingolstadt oder Ingeltown und dazwischen vielleicht einen Ort wie Dwight nach einem bekannten General der Siegermacht. Vor dem Kontrollpunkt stiegen wir aus und begaben uns zum vereinbarten Treffpunkt in der Seitenstraße. Ich hatte noch Probleme mit meinem neu für die Reise erworbenen Mobiltelefon. Ein Palästinenser bot seine Hilfe an. Er arbeitete in Nablus für VW, und fährt deshalb häufig zu Kursen nach Deutschland. Das ist möglich mit einem Sonderausweis, den ihm die deutsche Botschaft ausgestellt hat. Nach einiger Zeit traf die Gruppe mit zwei Sammeltaxis ein. Es ging in Richtung Westen zum Ort Salfeet oder Salfit, der Hauptstadt des Bezirks (s. Karte unten). Nach kurzer Fahrt war die Fahrt zu Ende. Vor uns befanden sich die Reste eines Erdwalls, der so weit weggeräumt war, daß wir ohne weiteres hätten durchfahren können. Auf der anderen Seiten standen aber Sammeltaxis, in die wir umsteigen mußten. Für uns Neuankömmlinge war das rätselhaft. Es hatte aber eine ganz einfache Erklärung: Der nicht mehr vorhandene Erdwall war für die orangefarbenen Taxis mit grünem Nummernschild passierbar, d.h. wir hätten durchaus weiterfahren können. Damit wäre aber die Existenzgrundlage für die anderen Taxis entzogen gewesen, die sich nur auf der inneren Seite des Erdwalls bzw. nur bis zur Siedlerstraße 505 bewegen dürfen. Anmerkung dazu: Die Straßensperre wurde am 29.11.04 von den Israelis wieder . Die Straße veränderte sich zu einer Schotterstraße. Der schlechte Zustand lag anscheinend weniger am fehlenden Geld als an der nicht erteilten Reparatur-Genehmigung durch die Besatzungsmacht. Wir hatten aber das Pech, daß doch ein Stück Straße gerade ausgebaut wurde. Keine Umleitungsmöglichkeit. Also mußte man zusehen, wie man das ganze Gepäck an der Baustelle vorbei bekam. Das war ein ziemlich kompliziertes Unternehmen und dauerte ungefähr eine Stunde. In Salfit war man unruhig, denn es war die Zeit des Ramadan, des moslemischen Fastenmonats. Wohl so ziemlich alle hatten den ganzen Tag nichts getrunken und gegessen und sie wollten natürlich beim Sonnenuntergang, der kurz nach fünf Uhr stattfand, zum Essen zuhause sein. SalfitIm Gegensatz zur sonstigen Gepflogenheit, bei der die internationalen Helfer an ihrem Standort in einer mehr oder minder leeren Wohnung untergebracht wurden, war in Salfit vereinbart worden, daß die Helfer bei Familien wohnen würden. Da die Familien, die Begleitschutz benötigten, u.U. nicht die notwendigen Schlafplätze zur Verfügung stellen konnten, sollten eigentlich Unterbringung und Unterstützung bei verschiedenen Familien möglich sein, je nachdem wie der Bedarf aussehen würde. Dieses Konzept ist aber wohl durch den Ramadan nicht durchzuhalten gewesen, weil einige Familien in dieser Zeit wohl gar nicht in die Haine gehen wollten.Jedenfalls stellte sich heraus, daß wir jeweils dort mithalfen, wo wir auch untergebracht waren. Das waren natürlich die etwas besser gestellten Familien, zumal alle darauf Wert zu legen schienen, jeweils zwei Männer und zwei Frauen zu beherbergen, die selbstverständlich in zwei verschiedenen Räumen schlafen mußten. Das waren wohl in allen Fällen keine Gästezimmer, sondern die Wohnräume. Das Aussortieren geschah im Besprechungszimmer eines neuen Mehrzweckgebäudes, das auch die Funktion des Rathauses hatte. Es ging etwas chaotisch zu, auch weil alle wohl schon etwas müde waren, aber irgendwann war klar wo jeder hin sollte. Meine Vierergruppe, bei der am ersten Tag auch Sherrill, eine Amerikanerin, dabei war, kam zu einem Bauern mit 10 erwachsenen Kindern, sechs Söhnen und vier Töchtern. Wie während Ramadan nicht ungewöhnlich, fand an diesem Abend bei unserer Gastfamilie ein großes Abendessen mit 28 Personen statt, uns wohl mitgerechnet. Die Männer aßen im Wohnzimmer, die Frauen in der großen Küche, und für uns vier und den ältesten Sohn des Hauses war in einem Nebenraum gedeckt. Das Hauptgericht bestand aus Reis und Hühnchen, weiterhin eine Suppe, die großen Anklang fand, Salate und Brot. Es war für jeden was dabei und ausgesprochen reichlich. Die Söhne waren überwiegend in Beschäftigungsverhältnissen, z.B. als Uni-Professor, als Lehrer oder als Polizist. Einer der Söhne war von den Israelis zu 280 Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil er seine legale Waffe einem Attentäter zur Verfügung gestellt haben soll. Ein bleiches im Gefängnis aufgenommenes Portrait von ihm hing über dem Sofa. Daneben auch eines aus besseren Tagen. Aufbruch zu früher Morgenstunde. Im Vordergrund die Bäuerin. Hinten sattelt der Bauer seine zwei Esel. Wir gingen mit dieser Familie an dreieinhalb Tagen in den Olivenhain, der ganz nahe dem Begrenzungszaun der großen Siedlung Ariel liegt, in der obigen Karte auf halbem Wege zwischen der geplanten Mauer und Ariel, d.h. er wird in Zukunft innerhalb des Arielgebietes liegen. Die Israelis sind hier mit der Planung äußerst großzügig. Ariel liegt auf einer Hügelkette, die sich von West nach Ost erstreckt. Nach Süden hin liegt ein Tal mit einigen Olivenhainen und ansonsten nur spärlichem Bewuchs. Daran schließt sich nach Süden hin eine weitere Hügelkette an, an deren südlichem Hang Salfit beginnt. Der geplante Verlauf der Mauer, für die die Schneise teilweise schon in die Landschaft geschlagen wurde, zieht sich auf der Höhe dieser Hügelkette hin. Auf dem Weg zum Olivenhain Der Hain lag direkt am Zaun. Am ersten Tag machte sich die Ariel-Security überhaupt nicht bemerkbar. Erst am späten Nachmittag tauchte hinter dem Zaun ein Mann auf, der seine Hunde spazierenführte. Blick
nach Norden. Auf der Anhöhe Ariel. Am Hang und in der Talsohle
der
Security-Feldweg. Rechts die Olivenhaine.
Etwa vom gleichen Standort aus
der Blick
nach Westen auf die rostbraune Schneise für die Mauer. Rechts
hinten
ein Militärposten
Am nächsten Tag fuhren die Autos dann ziemlich häufig vorbei. Am dritten Tag hielten sie einmal auf halber Höhe längere Zeit an, so daß wir uns beobachtet fühlten. An diesem Tag bekamen wir auch Besuch von Soldaten, die querfeldein mit umgehängter Waffe anmarschiert kamen, während sich auf einem Feldweg in Richtung Salfit ein Hummer Vehicle näherte (als Besatzerfahrzeug im Irak bekannt geworden), das dann in Serpentinen auch zu uns herunterkam. Sie wollten aber gar nichts von uns, sondern suchten wohl jemanden in der Gegend. Am vierten Tag gab es dann wirklich Ärger auf der Anhöhe bei einem Hain sehr nahe der Siedlung, den wir bis dahin gar nicht wahrgenommen hatten. Anscheinend ging es dabei aber in erster Linie um ein Pferd, das dort angebunden war - übrigens ein wunderschönes Tier.
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