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Mein dritter Besuch in Gaza
21. April bis 3. Mai 2012 Peter Voß Gazakarten : 'OpenStreetMap', 'Zerstörungen'; 'no-go'; 'Satelliten': Google Earth oder Google Maps, sonst (28 MB) Zur Unterstützung der Untersuchungskommission der Vereinten Nationen über den Gazakonflikt hat die Satellitenabteilung der Vereinten Nationen (UNOSAT) im Juli 2009 einen detaillierten Bericht zu einigen Schwerpunkten der Zerstörung während der israelischen Operation "Gegossenes Blei" herausgegeben. Diese Schwerpunkte waren das Grenzgebiet bei Rafah, die Samouni Str., das Gebiet um Al Atatra im Norden von Gaza Stadt und Izbet Abbed Rabbo (Abu Drabo) im Osten der Stadt. An Abu Drabo war ich im Jahre 2010 auf der Al Karama Str. vorbeigefahren. Jetzt hat mich interessiert, wie es dort drei Jahre nach dem Angriff aussah. Das nächste Bild zeigt einen Ausschnitt aus dem UNOSAT-Bild für Abu Drabo. Jedes rotes Rhombus bezeichnet ein zerstörtes Gebäude. Ich landete mit dem
Taxi, dessen
Fahrer die Saleh Dardona Str. (zumindest so wie ich sie aussprach)
auf der linken Seite nicht kannte, an der Kreuzung
der Al-Quds Str. mit der Al-Karama Str. (ganz rechts unten im Bild), wo
ich ausstieg. Ich bewegte mich von dort entlang der grün
markierten Strecke.
Auf der Suche nach zu vergleichenden Satellitenbildern standen mir Google Maps-Aufnahmen aus den Jahren 2007 und 2011 zur Verfügung; ich fand aber auch eine offensichtlich ältere Luftaufnahme bei Microsoft-Bing in Schrägansicht und in Aufsicht. Sie zeigt eine Baumplantagenlandschaft, die im Jahr 2007 - aus welchem Grund auch immer - schon weitgehend verschwunden war. Auffällig ist für mich auch wie deutlich sich die Al Kamara Str. abzeichnet, die heute weitgehend versandet ist. |
diagonal Al-Karama Str., links Saleh Dardona Str. und oben Al Quds Str. |
Ich vergleiche zunächst die UNOSAT-Aufnahmen aus dem Jahr 2009 mit den Aufnahmen von 2007 und 2011. Die mittleren Bilder sind jeweils Ausschnitte aus obiger UNOSAT-Aufnahme. Besonders
auffällig sind die Veränderungen der Landschaft in
der folgenden Bildsequenz. Die
Strukturen haben sich teilweise erheblich verändert. Nicht zu
übersehen ist auch hier, wie Felder und Wege im Jahr 2009
verwüstet wurden.
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Ein
stärker herausvergrößerter Ausschnitt aus
der Bing-Aufnahme (in Aufsicht), zeigt wieviel Bebauung
im mittleren Bereich dieses Ausschnitts verloren gegangen ist, wobei es
sich -
wie
sich zeigen wird - bei dem, was übrig geblieben ist,
nicht immer um Häuser handelt.
'Bing'-Aufnahme (vermutlich vor 2007) und Google Maps 2011 |
Wie erwähnt stieg ich an der Al Karama Str. aus (ganz rechts unten in den obigen Bildern). Dieses Gebiet nennt sich Shijaeya. Ich sah mich erst einmal um und versuchte mir zurechtzulegen, wo ich am besten langgehen sollte. Die Gegend sah für Spaziergänge nicht gerade sehr einladend aus. Rundumpanorama an der Al Karama Straße An der
Stelle, an der ich ausstieg, befindet sich ein Gewerbebetrieb, der
Betonsintersteine produziert, die offenbar (auch) aus den
Überresten zerstörter Gebäude hergestellt
werden (s. Bericht 2010). Zwischen diesem Betrieb und dem
nächsten, dessen Mauer
auf dem Bild im Hintergrund zu sehen ist, befand sich ein etwas
vernachlässigt aussehendes Feld. Am Ende dieses Feldes sah ich
aus der Entfernung Notbehausungen und beschloß mir diese
näher anzusehen. Ich begegnete auf dem Wege dorthin einem
Bewohner, der mich
führte. Als wir die kleine Siedlung erreichten, kam uns ein
weiterer Bewohner entgegen. Die Kamera in meiner Hand war hinreichend
für das Angebot, mir ihre Wohnkomplexe anzuschauen. Diese
bestanden offenbar immer aus mehreren Hütten um einen Innenhof
herum.
Ich begleitete den zuletzt gekommenen Mann, zum nächstgelegenen Komplex. Aus einem der hier aufgenommenen Videos habe ich ein Panorama zusammengesetzt. Ich warf auch einen Blick in einen der
Räume. Ein tief verschleiertes Mädchen, das Englisch
sprach, erzählte mir, dass in diesem kleinen Raum 11 Menschen
schliefen. Das Bettzeug war an den Wänden hochgestapelt,
ein Anblick, den ich noch öfter sehen sollte.
Es handelte sich offensichtlich um Bauernanwesen. Ich begegnete diesem Bauern später noch einmal, als er mit seinem Sohn auf einem Eselskarren einen Feldweg entlang fuhr. Ich ging wieder hinaus, wo der zweite Bauer auf mich wartete, um mir sein Gehöft zu zeigen. Auch hier ein mit Bettzeug gefülltes Notquartier, mit einer Frau und etlichen Kindern darin, sehr luftig und mit durchlöcherten Wänden. Man muß sich vor Augen halten, dass es im Winter regnet und auch recht kalt werden kann. Das etwas mühsam zusammengesetzte Panoramabild zeigt auf der rechten Seite die Bodenplatte und den Rest einer Wand eines Hauses, dahinter eine größere Blechhütte, die offenbar als Küche dient. Der Bauer führte mich in das weiße Zelt, in dem sich mehrere Tonnen befanden. In einer der Tonnen war Mehl, in der anderen ein Mehlsack, dessen Beschriftung auf die Herkunft hinwies: UNRWA, Weizenmehl, freie Verteilung für palästinensische Flüchtlinge. Ich habe über diese Nahrungsmittelverteilung durch die UNRWA-Organisation der Vereinten Nationen bereits in meinem Bericht von 2010 berichtet und werde weiter unten darauf noch ausführlich eingehen. Jedenfalls war klar, dass diese Familie zu den Nachkommen der vor etwa 64 Jahren nach Gaza vertriebenen oder geflüchteten Palästinenser gehörten. Die Flüchtlinge machen in Gaza etwa 75 % der Bevölkerung aus und sind zu einem ganz erheblichen Maße auf die Unterstützung mit Nahrungsmitteln angewiesen. Auch in diesem Raum waren viele Matratzen hochgestapelt. In einer Ecke stand die Ruine einer Waschmaschine. Ich habe noch einmal eine viel ältere Ruine gesehen. Es muß irgendeine Bedeutung haben. Hinter diesem Gehöft waren weitere gleichartige Anwesen. Davor war ein mit Bäumen und Sträuchern bewachsener Grünstreifen, in dem ein größerer zeltartiger Bau eine Bedeutung zu haben schien, die mir aber nicht klar wurde. Ich vermute, dass es ein Viehstall war. Am Ende des Grünstreifens befand sich auf der gegenüberliegenden Seite einer Straße ein Neubau, wie ich ihn in dieser Art schon an der Samounistr. gesehen hatte. Ich wanderte später an ihm vorbei. Bevor ich weiterging mußte ich selbstverständlichnoch ein Glas Tee trinken, und der Bauer zeigte mir eine weitere Hütte, die offenbar das Gemeinschafts-Kaffeehaus war. Ich machte mich wieder auf den Weg, zurück zur Al Karama Str. und diese entlang und und dann in den nächsten Sandweg hinein. Auf der Satetellitenaufnahme von 2011 deutlich zu erkennen befinden sich dort auf einer Seite des Weges vier Häuschen, offenbar auch Notunterkünfte. Wie ich später herausfand, waren es Beispiele von UNRWA-'mud'-Häusern, d.h. von Häusern, die aus Lehmziegeln gebaut sind, wobei Lehm in Gaza wohl gar nicht so leicht zu finden ist und sich wenige Schritte entfernt auch schon vor Jahren die Betonsteine stapelten. Jedenfalls hat die UNRWA inzwischen wohl 270 solcher Häuschen gebaut. Vor einem der Häuschen stand ein Bewohner, der mein Interesse merkte und mich in sein Haus bat. Ich schaute mich kurz um und hatte dann ein schlechtes Gewissen, weil ich die Einladung zu einem Tee ausschlug, denn mir blieb nicht mehr allzu viel Zeit. Ich bin dann einige Tage später mit einem englischsprechenden Taxifahrer zurückgekehrt und habe das Teetrinken nachgeholt. Ein Nachbar gesellte sich zu uns. Er erzählte, dass er durch den israelischen Angriff sein gesamtes Vieh und alle seine Bäume verloren hat. Als man ihnen die Notunterkünfte gebaut hat, glaubten sie, es wäre eine vorübergehende Lösung. Die Häuser würden - anders als in UNRWA-Veröffentlichungen beschrieben - im Sommer sehr heiß werden. Unmittelbar nach Ende des israelisches Angriffs wären sehr viele Besuchergruppen vorbeigekommen. Heute käme niemand mehr. Auch diese Bauern sind voll auf die UNRWA-Nahrungsmittelunterstützung angewiesen, da sie kaum noch eine Möglichkeit der Eigenversorgung haben. Ein Stück weiter entlang dieses Weges waren normale Häuser im Bau oder fertiggestellt. An der nächsten Wegkreuzung nahm ich noch einen Rundblick mit der Hüttensiedlung auf. Ich ging in einen der Seitenwege hinein. Hier wurde an größeren Häusern gebaut, aber es waren auch noch etliche Reste der Zerstörung zu sehen. Über eines der Gründstücke ging ich zum nächsten Weg und auf diesem zur Al-Quds Str., auf der ich mich ein paar Querstraßen weiterbewegte, um dann wieder in eine Gegend abzubiegen, in der sich die roten Rhomben auf der UNOSAT-Aufnahme häuften. Hier war aber überraschenderweise nur noch wenig von den drei Jahre zurückliegenden Ereignissen zu spüren. Ein junger Mann erzählte mir, dass die Häuser hier in den letzten Jahren weitgehend wieder aufgebaut wurden, wenngleich manch einem dabei auch das Geld ausgegangen ist, wie bei dem linken Haus im letzten Bild oben. Abu Drabo ist offenbar ein wohlhabenderer Vorort von Gaza Stadt. Der junge Mann fuhr mich mit dem Auto nach Gaza Stadt zurück, wo ich eine Verabredung hatte. Wie oben erwähnt, besuchte ich später noch einmal einen der Bauern in den UNRWA-Notunterkünften. Von dort aus fuhren wir über die Al Karama Str. und über die Saleh Dardona Str. zurück zur Stadt, und ich filmte ein Stück der Al Karama Str und des Beginns der Saleh Dardona Str., eine absolute Mondlandschaft. Al Karama Str. Al Karama Str. , Abzweig Saleh Dardona Str., Saleh Dardona Str. Saleh Dardona Str., seltsames Denkmal an der Halle auf der linken Seite |